Die Gefahr einer Energiemangellage scheint gemäss einer vergangenen Woche vorgestellten Studie des Bundes gemildert: Die Stromversorgungssicherheit der Schweiz im Winter 2022/23 sei demnach nicht gravierend gefährdet, Versorgungsengpässe können aber dennoch nicht ausgeschlossen werden. Wie stark die Ostschweizer Wirtschaft von einem möglichen Stromausfall betroffen wäre, zeigt eine zwischen dem 17. und 28. Oktober 2022 durchgeführten Umfrage bei über 600 Unternehmen in der Ostschweiz. Eines ist deutlich: Bereits ein Stromausfall von kurzer Dauer würde die Unternehmen in ihrer Produktionsfähigkeit massgebend einschränken. Über die Hälfte der befragten Unternehmen wären bei einem Stromausfall zwischen vier und acht Stunden vollständig produktionsunfähig. Bei einem Stromausfall zwischen einem und zwei Tagen wären es drei Viertel der Unternehmen. Nicht einmal 1 von 10 befragten Unternehmen bliebe auch bei einem Stromausfall von acht Stunden vollständig produktionsfähig.
Handel, Verarbeitendes Gewerbe und Verkehr/Lagerei am stärksten von Stromausfall betroffen
Von einem Stromausfall am stärksten betroffen, wären Unternehmen aus den Bereichen Verkehr/Lagerei, dem Verarbeitenden Gewerbe sowie dem Handel. Sie alle wären im Durchschnitt spätestens nach einem achtstündigen Stromausfall vollständig produktions- und handlungsunfähig. Ein ähnliches Bild zeigt sich im Falle einer möglichen Kontingentierung. Eine Kontingentierung in der Höhe von 30% führte bei fast drei Viertel der befragten Unternehmen zu einer stark eingeschränkten Produktionsfähigkeit oder vollständigen Produktionsunfähigkeit.
«Die Unternehmen sind bei Vollauslastung bei Weiten nicht in der Lage, ihren Strombedarf durch die Eigenproduktion zu decken»
Alessandro Sgro, Chefökonom der IHK St.Gallen-Appenzell
Nur wenige Unternehmen verfügen über eine Möglichkeit, einen Stromausfall zu überbrücken
Zahlreiche Ostschweizer Unternehmen investierten in den vergangenen Jahren in eigene Anlagen zur Stromproduktion. Rund ein Viertel der befragten Unternehmen verfügt heute über entsprechende Infrastruktur. Allerdings zeigt sich: «Die Unternehmen sind bei Vollauslastung bei Weiten nicht in der Lage, ihren Strombedarf durch die Eigenproduktion zu decken», so Alessandro Sgro, Chefökonom der IHK St.Gallen-Appenzell. Im Durchschnitt deckt der eigens produzierte Strom gerade einmal 35% des Bedarfs. Im Verarbeitenden Gewerbe sind es nur 12%. «Das erstaunt nicht, weil im Verarbeitenden Gewerbe sehr energieintensive Produktionsprozesse ablaufen», erläutert Sgro. Gerade einmal 1 von 10 befragten Unternehmen verfügt zudem über die Infrastruktur, um im Falle eines Stromausfalles den Strombedarf, z.B. über ein Notstromaggregat, zu überbrücken. Diese beiden Umstände zeigen, wie wichtig es ist, eine Energiemangellage zu verhindern. Dazu müssen die Effizienzanstrengungen weiter verstärkt, das Inlandpotenzial der Stromproduktion deutlich besser ausgeschöpft und der Energieaustausch in Europa gesichert werden.
Die IHK St.Gallen-Appenzell und der Kantonale Gewerbeverband St.Gallen haben die Umfrage zwischen dem 17. und dem 28. Oktober 2022 unter ihren Mitgliedunternehmen mittels Onlinefragebogen durchgeführt. Ziel der Umfrage war es, ein systematisches Bild zur Betroffenheit und zu den Auswirkungen eines möglichen Stromausfalls bei den Ostschweizer Unternehmen zu erhalten. Insgesamt haben 626 Unternehmen an der Umfrage teilgenommen und diese abgeschlossen. Eine Auswahl der wichtigsten Resultate finden sich hier